Bericht vom 9. bis 27. März 2024
Aus: Neuseeland
Volunteering (Freiwilligenarbeit)
Bienen und ein unglaublicher Ausflug
Vorwort
Ich schreibe am liebsten über die schönen Zeiten, die schönen Momente, denn die sind schön. Das ist einfach. Es einfach nachvollziehbar, warum es schön ist zu reisen. Zumindest glaube ich das, dass es einfach nachzuvollziehen ist warum es schön ist zu reisen. Werbung und Instagram und so tuen da ihr übriges.
Ich möchte nicht immer nur über die schönen Momente sprechen, sondern beide Seiten beleuchten. Es fällt mir nur wesentlich schwerer über diese Phasen zu schreiben. Ich weiß nicht genau wieso. Vielleicht, weil ich das Gefühl habe, sie besser begründen zu müssen, mich erklären zu müssen warum es mir nicht gut geht. Vielleicht, weil ich das Gefühl habe mich dadurch verletzlich zu machen. Wie auch immer. Mir ist es ein Anliegen auch über die schwierigen Phasen zu sprechen. Ich habe den Anspruch an mich, euch einen authentischen Einblick in unsere Reisen zu geben. Und dazu gehören eben auch die schlechten Phasen. Ich glaube sie gehören zu dem reisen dazu, genauso wie sie zu dem Leben dazu gehören.
Routinen, Job, ausgelaugt
Schon die letzten Wochen ging es mir weiterhin nicht besonders. Eigentlich seit dem Beitrag in Wellington, hat sich an meinem Innenleben nicht viel geändert. Ich bin viel unzufrieden und traurig. Ich versuche viel zu ergründen, warum ich unzufrieden und traurig bin. Ich finde keine einfache oder eindeutige Antwort. Aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass wir etwas Ruhe nicht schaden würde. Eine Auszeit vom Reisen. Wieder einen Alltag zu haben. Wieder Routinen zu haben. Das einfach die einfachen Fragen des Alltags jeden Tag schon geklärt sind. Wo ich aufwache, wo ich einkaufe, wo ich WLAN und Strom habe. Aber auch wo ich dusche, wo ich auf Toilette gehe. Diese Fragen jeden Tag neu beantworten zu müssen, kostet mich gerade unglaublich viel Energie. Ich möchte ein bisschen Einfachheit im Alltag. Ein wenig Gleichförmigkeit. Und mir fehlt auch das Arbeiten. Irgendwie partizipiert man dadurch der Gesellschaft. Ist dadurch ein Teil der Gesellschaft.
In Aukland haben wir einen Engländer getroffen, der seit... ich glaube es waren 15 Jahre reist. Aber er hat auch gemeint, dass das nur geht, weil er es sich zwischendurch immer wieder an einem Platz sesshaft wird macht und die Zeit dort genießt. Also während der Reise Pausen vom Reisen macht. Sich eine Arbeitsstelle und ne Wohnung sucht.
Deswegen haben Karli und ich in den letzten Wochen haben häufig darüber gesprochen, was wir jetzt machen. Wie wir jetzt weiter machen. Es ergibt Sinn sich erstmal einen Job zu suchen und zu arbeiten. Wir könnten natürlich aber auch erst noch ein bisschen Reisen und dann erst Arbeiten. Jetzt ist noch Sommer in Neuseeland aber nicht mehr lange, wir haben März, der Herbst fängt bald an (Kleine Erinnerung in Neuseeland sind die Jahreszeiten entgegengesetzt zu denen in Deutschland). Also wäre es eigentlich schön jetzt noch zu reisen und dann erst im Winter irgendwo zu arbeiten. Wenn wir jetzt erst arbeiten und dann wieder reisen, würden wir im Winter reisen, darauf habe ich wenig Lust. Allerdings sehne ich mich wieder nach einem Alltag. Irgendwie fühlten wir uns schon mit dieser einfachen Frage sehr überfordert. Wir haben lange Argumente hin und her gewendet.
Kellnern im Restaurant
Auf der Südinsel angekommen habe ich online die Zusage in einem Restaurant bekommen. Es ist eine Freiwilligenarbeit, das heißt für 3 Stunden arbeiten erhalte ich kostenlos ein Bett, ein Bier und eine Mahlzeit pro Tag. Ich ergreife den Job.
Natürlich will ich viel lieber eine bezahle Arbeit. Allerdings weiß ich aus Gesprächen mit anderen Reisenden, dass zurzeit mega viele Leute Arbeit suchen, und das es sehr schwierig ist was zu finden. Aus dem Grund habe ich beschlossen die Chance hier zu ergreifen und hoffe, dass sich daraus mehr ergibt. Damain, der Besitzer des Restaurants betreibt parallel auch noch ne Arbeitsagentur und versucht mir zudem eine bezahlte Stelle zu vermitteln. Außerdem suche ich eine bezahlte Stelle. Jeden Tag checke ich online die Anzeigen, ich gehe zu einer Arbeitsagentur, spreche mit andere Reisenden vor Ort, erstelle meinen englsichen Lebenslauf und laufe Geschäfte ab und verteile diesen. Und und und
Das Restaurant, wo ich jeden Abend drei Stunden umsonst helfe ist toll. Es hat eine sehr leckere japanische Küche. Das Bier kommt aus der hauseigenen Brauerei und der Wein aus umliegenden Weingütern. Die Angestellten in der Küche sind allesamt Japaner. Ich freue mich, weil ich seit ein paar Monten versuche ein paar Broken Japanisch zulernen. In der Küche platze ich deswegen innerlich als ich drei vier Wörter verstehe: „Wasser“, „Reis“ und „lecker“.
Und dann, gibt es wieder die anderen Momente. Wie zum Beispiel jetzt. Jetzt sitz ich hier. Auf dem Boden eines Parkplatzes des Restaurants, in dem ich gerade für umsonst kellern. Ich habe das Gefühl, dass ich vor 10 Jahren schon mal genauso weit war. Da habe ich während meinem Abitur und meinem Studium gekellnert. Allerdings habe ich da fürs Kellnern immerhin Geld bekommen. Sowieso, ich fühle mich hier nicht richtig wohl. Irgendwie isoliert von anderen Menschen. Und das Haus steht direkt an einer Bundestraße, die von der Funktion her eine Autobahn ist. Das heißt die LKWs donnern hier vorbei. Keine 5 Meter von dem Haus entfernt. Das ist so krass, das nachts mein Bett jedes Mal wackelt.
Ich bin jetzt seit einer Woche hier, ich fühle mich immer noch erschöpft. Hab das Gefühl nicht zur Ruhe zu kommen. Arbeitstechnisch hat sich auch noch nichts ergeben. Mein Gedankenkarussell dreht sich weiter und weiter.
Ich bin traurig. In Asien haben wir so viele verrückte, atemberaubende, unglaubliche Dinge gemacht. Ich hatte das Gefühl Berge verschieben zu können, dass mich nichts aufhält: auf nem Segelboot als Crew anheuern, auf ein Traktor aufspringen, trampen in einem Land in dem ich kein einziges Schild lesen kann, ein TukTuk fahren, Freunde von unfassbar tollen Menschen werden.
Manches davon war zufällig, ist uns quasi in den Schoß gefallen. Anderes haben wir uns in den Kopf gesetzt und solange nach einem Weg gesucht, bis wir einen gefunden haben. Und uns auch von Hindernissen nicht haben aufhalten lassen.
Mit der Ankunft in Neuseeland war auf einmal alles anders. Zurück in ein Land wo "mehr Regeln herrschen", wo alles teurer ist. Und irgendwie habe ich den Glauben in mich verloren.
Ich habe eine aktuelle Anmerkung.
Jetzt im Mai, also zwei Monate später als der Inhalt, bin ich dabei den Beitrag zu veröffentlichen. Dabei ist mir noch ein weitere Gedanke gekommen; glaube ich das viele dieser Gedanken, die mich in den Anfangsmonaten von Neuseeland geplagt haben, auf einen Kulturschock zurück zu führen sind. Neuseeland ist ein westliches Land und von der Kultur überhaupt nicht mit Asien zu vergleichen.
Ich werde wieder unruhig
Ich bleibe eine Woche in dem Restaurant, bevor mich die Lust verliert. Ich bleibe ein paar Tage bei Brendan, einem Kiwi, den ich über Couchsurfing getroffen habe. Ich habe noch nie jemanden so viel fluchen gehört wie Brendan. Ich suche weiterhin nach Jobs. Außerdem versuche ich viel zu überlegen was ich will, was mich wieder zufriedener machen könnte.
Irgendwann habe ich keine Lust mehr. Ich habe keine Lust weiter nach Jobs zu suchen oder zu grübeln. Freunde von uns, Jan und Lea, mit denen wir auf der Nordinsel ein paar Tage unterwegs waren, sind in der Stadt. In der Bibliothek treffen wir Karli und bleiben an einem Puzzle hängen. Wir können nicht aufhören, bis das Puzzle nach 2,5 Tagen zu viert endlich vollendet haben. Auch der Segelausflug mit Finn, sowie der Pizzaabend mit Finn fällt in diese Zeit. Karli hat bereits in dem letzten Beitrag davon berichtet, deswegen brauche ich das hier nicht wieder holen. Auch wenn ich damit das Gefühl habe, dass der der Beitrag damit etwas trister erscheint, weil die schönen Momente nicht nochmal auftauchen. Aber ihr könnt das gerne nochmal hier nach lesen https://www.einfach-so.com/post/von-der-k%C3%BCche-bis-zur-regatta ).
Nach 1,5 Wochen in Blenheim habe ich immer noch keinen Job. Man könnte sagen ich habe einfach keinen Job gefunden. Das es zurzeit keine Jobs gibt. Aber das ist auch nur ein Teil der Wahrheit. Ich habe gemerkt, dass ich keine Lust habe zu Kellnern, weil ich das schon vor 10 Jahren gemacht habe. Und das ich auch keine Motivation in 12 Stunden Nachtschicht Fließbandarbeit zu machen oder irgendeine andere Stumpfsinnige Arbeit zu machen. Ich glaube Janine, ich habe zu hohe Ansprüche. Tja. Und nun? Bevor ich diese Frage beantwortet bekomme, packt mich schon wieder meine Unruhe und ich suche mir die nächste Freiwilligenarbeit.
Ich würde gerne mehr über "richtiges " Neuseeländer Leben erleben. Online habe ich in bei einer Kiwi Familie in der Nähe des Ortes Takaka ein Woofing gefunden. Sie haben auf ihrem riesigen Grundstück zwei Schafe, 6 Rinder. Die wohnen weit ab vom Schuss. Zum nächsten Dorf sind es 20minuten Fahrt. Dafür leben sie einfach auf einem Berg mit Aussicht bis zum Horizont. Lisa freut sich immer über weibliche Unterstützung bei drei weiteren Männern im Haus: ihrem Mann und den zwei erwachsenen Söhnen.
Ich räume mit Lisa die Garage auf, repariere die Zäune, hacke Holz, schleife einen Tisch ab und streiche ihn. Nichts kompliziertes aber ich mag die Arbeit. Ich fühle mich wohler hier. Mag die Routine. Kann ein bisschen Energie tanken.
Am Sonntag geht es auf den Markt. Auf dem Markt gibt es Kleidung, Seife, und was man sonst noch so (anTouristen) verkaufen kann. Aber vor allem viel leckeres essen. Die Bewohner von Takaka treffen sich Sonntags zum austauschen und quatschen. Takaka ist so ein wenig alternativ, Hippie mäßig ich mag den Flair..
An einem Tag schreibt mich Flo, ein ehemaliger Kommilitone an. Er macht gerade Urlaub mit seiner Familie in Neuseeland. Außerplanmäßig haben sie nochmal einen Stopp in Nelson eingelegt und sind somit nur noch ein Katzensprung (ca. 1,5Std) von mir entfernt. Wir haben uns seit einigen Jahren nicht mehr gesehen und so frage ich bei Lisa nach ob ich am nächsten Tag "frei" haben kann.
Dann bleibt nur noch die Frage, wie ich nach Nelson komme. Denn Karli hat unser gemeinsames Auto. Und ein ÖPNV ist in Neuseeland kaum vorhanden. Weder Bahn noch Bus. Deswegen bin ich zurzeit wieder trampend unterwegs. Auch schon von Blenheim zu meinem aktuellen Voluntering, ungefähr 200 Kilometer, bin ich getrampt. Und diesmal habe ich sogar dran gedacht ein paar Fotos bzw Videos von mir zu machen! Macht mir viel Spaß zu trampen. Es ist die Herausforderung, die mich kitzelt, aber das man ganz viele Leute mit ganz unterschiedlichen Lebensentwürfen kennen lernt.
Trampen ist in Neuseeland ziemlich einfach. Vielleicht weil, das nicht so viele Städte hat. Vielleich, weil das Land mehr wie eine Perlenschnur und weniger ein wie ein Netz ist, dementsprechend „alle“ in dieselbe Richtung fahren. Aus welchen Gründen auch immer, man wird schnell mitgenommen. Ich bin immer wieder verblüfft wie gut trampen hier in Neuseeland funktioniert. So komme ich auch an diesem Tag schnell nach Nelson, wo Flo auf mich wartet. Wir quatschen viel über alte Zeiten, den Moment und die Zukunft. Es ist schön ihn zu sehen. Ich freue mich sehr.
Eine neue Frage: Neuseeland oder Heim?
Und dann gibt es ja auch immer noch diese quälende Frage in meinem Hinterkopf: Wie geht es langfristig weiter. Wenn ich hier keinen Job und damit mein Bedürfnis nach einem Alltag finde – was mach ich dann? Ist das der Punkt wo man doch heimreist?
Ich bin mir unsicher, ob ich das möchte. Ich fühle mich zutiefst innerlich gespalten. Ich will weiter reisen, es gibt noch so viele Ideen in meinem Kopf. So viele Abenteuer, die ich erleben will: bikepacking, eine mehrwöchige Wanderung, nach Fidschi segeln, in Australien arbeiten. Ich habe nicht das Gefühl, mit dem reisen abgeschlossen zu haben. Auf der anderen Seite merke ich, dass ich wieder einen Alltag brauche. Und Geld.
So oder so – ich will wieder die Zeit mit Karli in Neuseeland genießen, deswegen schließen wir unsere Zeit jeder für sich früher als gedacht ab und ich hitchhike zu Karli.
Ein Honigglas
In den Phillipinen waren wir drei Tage auf einer kleinen Farm (https://www.einfach-so.com/post/bohol) und hatten dort eine spannende Zeit. Joma führt die Farm mit seiner Familie. Er hat ein außergewöhnliches Wissen über Pflanzen, Tiere und Landwirtschaft. Zum Frühstück gab es zum Beispiel "tsokolate" eine heiße Schokolade, die Kakaobohnen kommen aus dem Garten des Nachbarn. Er und seine Familie haben geschaut, dass es uns an nichts mangelt. Ich schweife ab. Als wir bei Joma waren hat er uns voller Stolz von dem neuseeländischen Honig angeboten, den ihm ein Gast geschenkt hat. So, und nun sind wir in Neuseeland und haben uns gedacht, wie witzig es wäre eben diesen Neuseeländischen Imker zu besuchen. Gesagt getan. Wir sind also zu der Adresse, welche auf dem Honigglas notiert war, gefahren- oder haben es versucht. Den Google kannte den Weg zu den Adresse dahin nicht - das Grundstück liegt mitten im Wald. So fahren wir eine Schotterpiste entlang ohne zu wissen, ob wir hier richtig sind. Überall stehen Schilder "privat Property" oder "privat Road - No trespassing". Ich frage mich ob wir wirklich willkommen sind. Ich fühle mich unwohl und würde am liebsten umdrehen. ABER wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Wir verirren uns noch ein paar Mal aber schließlich fahren wir eine Auffahrt hinauf. Uns kommt ein Mann entgegen. Wir fragen ihn ob er "Norbert Klose" kennt. In Englisch antwortet "ja das bin ich!" Interessiert schaut er uns an und fragt wie er uns weiterhelfen kann. Wir erzählen ihm, dass wir ihm grüße von Joma aus den Philippinen überbringen wollen. Er läd uns auf seine Terrasse ein. Schnell entwickelt sich ein fröhliches Gespräch und wir erzählen uns gegenseitig von unseren Reisen. Norbert ist, entgegen unserer Erwartungen kein Kiwi sondern hat Deutschland vor 30 Jahren, als er ca 30 war, verlassen. Was er über seine Reise erzählt ist der Wahnsinn. Zum Beispiel wandert er mit seinem selbst genähten Rucksack ein paar Wochen oder Monate durch die Wildnis von Indonesien. Nach 7 Jahren Reisen lässt er sich in Neuseeland nieder.
Er läd uns ein ihn zwei Tage später zu ein paar seiner Bienenstöcke zu begleiten. Das lassen wir uns nicht entgehen! Es ist wahnsinnig spannend und Norb beantwortet unsere tausende Fragen. Das allein war schon wahnsinnig cool, aber es kommt noch besser als er uns im Anschluss seinen Lieblingsorte zeigt. Wir fahren ans Meer und Norb läuft los. Wir hinter her ohne zu wissen was uns erwartet. Wir laufen über Stock und Stein immer am Meer entlang. Es ist Ebbe. Norb erklärt uns, dass man bei Flut nicht dort hinkommt. Immer weiter raus geht es, bis es nicht mehr weiter geht. Wir sind auf einer Landzunge. Um und ein große, riesige beeindruckende Gesteinsformationen. Zu unseren Füßen das tosende Meer. Norb zeigt auf einen Felsen hinter einer kleinen Bucht und meint dass es da besonders schön ist. Und das er da Mal rüber klettert. Ich habe noch nie einen 64-jährigen so agil und flink klettern sehen und bin wahnsinnig geplättet. Dieser Ort ist so mega beeindruckend, dass ich es überhaupt nicht in Worte fassen kann. Ich bin einfach sprachlos.
Karli meint im Nachhinein: "in der Vergangenheit wurden wir bei verschiedenen Touren darauf hingewiesen, dass man feste Schuhe und wandertaugliche Kleidung braucht. Ich bin mittlerweile auf dem Level, wird schon mit Sandalen und Badehose klappen. Aber wenn Norb sagt, dass ich feste Schuhe brauche, dann brauche ich sie wirklich."
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